Johannes-Passion
Die von Bach im Jahr 1724 zum ersten Mal in der Leipziger Nikolaikirche und dann bis 1749 noch drei weitere Male in Leipzig aufgeführte Johannes-Passion unterscheidet sich von der späteren MatthäusPassion durch ihren versöhnlichen Charakter. Nicht so sehr das Leiden des Gekreuzigten, sondern sein Leidensweg als Tor zu seiner königlichen Herrschaft über die Welt wird hier behauptet und besungen. Obwohl im Zentrum der Passion die dramatische Gerichtsszene steht, in der Jesus dem blutdürstigen Volk und der Kreuzigung überantwortet wird, lässt Bach doch durch die rahmenden Chöre, die Choräle in Arien die besondere Botschaft der johanneischen Theologie erklingen, dass Jesus als wahrer Gottessohn trotz und wegen seiner Kreuzigung unser Herr und Herrscher sein soll. Dem aufgeregten Bericht des Evangelisten werden die geduldigen Worte des Jesus während seiner Verhöre entgegengestellt, mitten in die sich steigernden Kreuztonarten auf dem Weg nach Golgatha und hinein in die höhnischen Chöre der Volksmassen legt Bach einen christologischen Choral, der dem scheinbar blindwütigen Geschehen einen überirdischen und allen Menschen geltenden Sinn verleiht. Bach, noch ganz erfüllt von seinen musikalischtheologischen Erfahrungen mit seinen Kantaten, die er in Weimar und Köthen komponiert hatte, lässt in der Johannes-Passion die ganze Fülle seiner textauslegenden Möglichkeiten verschwenderisch walten.